Hallo ihr alle... Alle Kapitel werden einzelt verspoilert, einfach draufklicken. Handlung verrate ich vorerst nicht.
~Prolog
Regentropfen prasselten auf die Straße, die inzwischen eher einem matschigen Weg glich als dem geordneten Sandweg, der dort vorher verlaufen war. Aus dem benachbarten Fichtenwald stiegen kurz Flammen auf, erhellten für einen winzigen Moment den Himmel und die fallenden Tropfen. Ein Kreischen erfüllte kurz die Luft, ehe sich ein roter Vogel, leicht schwankend vom Wind, flog über die Baumwipfel davon, er schien erschreckt. Durch den Regen vernahm man ein paar Hufschläge, die wohl einem Versuch entsprangen, in dem halben Sumpf schnell zu fahren. Wenige Sekunden darauf bog eine Kutsche um die Ecke. Früher musste sie sehr elegant gewesen sein, doch jetzt war das pechschwarze Ebenholz von Holzwürmern durchfressen und die Sitze den Motten zum Opfer gefallen. Ein wenig Eleganz wurde immerhin von dem Zugpferd verliehen, das in brüchiges Ledergeschirr eingespannt war. Es war rabenschwarz. Bei genauerem hinsehen erweckte der kräftige Körper den Eindruck, befiedert zu sein. Die Augen des edlen Tieres schienen rot zu glühen und stachen wie Lichter durch die Dunkelheit. Sein Atem hinterließ leichte Wölkchen in der kalten Luft, während seine Fesseln matschverklebt waren. Aus der Ferne näherte sich mit schnellen Schritten eine Gestalt, einen schwarzen Schal tief ins Gesicht gezogen. Bald darauf hatte sie den Kutscher erreicht und murmelte: „Warum kaufst du dir von deinem Geld nicht mal eine vernünftige Kutsche?“. Er klopfte auf ein Stück Holz und einzelne Splitter rieselten heraus, fielen in den Matsch und waren nicht mehr zu erkennen. „Das Pferd ist wichtiger. Und mein Altes ist weg“, lautete die Antwort. Der Fremde betrachte den Rappen abschätzend. „Wo hast du das denn aufgegabelt?“, fragte er und in seiner Stimme lag Abscheu. „Meinst du Spruce?“. Der Kutscher sprang in den Matsch und lief mit leichten Schritten nach vorne, wo er dem Tier den Hals klopfte. „Ich habe so meine Quellen. Er ist eine Mischung. Soweit ich weiß, Pegasus und die Augen sind vom Düsterdrachen.“ Ihm entging der verwirrte Blick seines Gegenübers nicht. Schnell sprang er wieder auf den Kutschbock. „Gezaubert“, meinte er erklärend. Der Fremde blickte immer noch skeptisch. „Läuft er schnell?“. „Hör zu-Entweder du fährst oder du gehst den ganze Weg zu Fuß“, knurrte der Kutscher. Dieses Argument schien den Mann letztendlich zu überzeugen. Er öffnet e die Tür und kletterte ins Innere des Gefährts. Mit einem leisen Krachen schloss er sie wieder und lehnte sich zurück. Draußen fiel das gefiederte Mischwesen in einen schnellen Trab und bald darauf war die Kutsche hinter einer Kurve verschwunden. Am Himmel begannen einige Raben zu kreisen, ihre Schatten hoben sich kaum von den dunklen Wolken ab. Ihr heiseres Krächzen erfüllte die Luft und verkündete nur eins-Unheil.
~Kapitel 1
Sie fühlte sich fremd hier. Steinerne Häuser ragten in den Nachthimmel, an dem unschuldig Sterne glitzerten. Kein Mondschein drang auf den Weg, der sich durch die engen Gassen schlängelte, denn es war Neumond. Gwyn hatte das Gefühl, eingesperrt zu sein. Sobald der Pegasus die pechschwarzen, gefiederten Flügel ausbreitete, stießen deren Spitzen gegen kalte, harte Wände. Das dunkle Fell, das es gewohnt war, das Flugwind mit dem Duft nach Freiheit darüber strich, glänzte leicht im matten Schein der fast erloschenen Straßenlaternen. Gwyn wusste weder, wo sie war, noch wie sie hierher gelangt war. Sie kannte die Sterne am Himmel nicht-In ihrer Heimat sahen sie ganz anders aus. Sie ließ nochmal die Ereignisse der letzten Stunden vor ihrem inneren Auge vorbeiziehen. Es hatte geregnet. Während sie durch die fallenden Tropfen gelaufen war –Fliegen war ihr bei dem Wetter zu gefährlich erschienen- war ein gleißendes Licht vor ihren Augen aufgeblitzt. Anschließend ein Surren, und eine glitzernde Wolke hatte sie eingehüllt. Und dann… Nichts. Bis zu dem Moment, in dem sie in dieser beengten, schrecklichen Stadt aufgewacht war. Tausend Fragen schossen Gwyn durch den Kopf: Wo bin ich hin? Wie komme ich zurück? Und, vor allem, warum bin ich hier? Sie blickte sich aufmerksam um, in der Hoffnung, etwas zu entdecken, das ihr Antworten liefern könnte. Aber überall waren nur Häuser, Häuser, wie Gwyn sie erst einmal gesehen hatte-Damals, als ihre Mutter gestorben war. Damals, als ein Drache diese mit seinen Klauen gepackt hatte und sie auf eine pechschwarze Kutsche geworfen hatte, die sofort losfuhr. Damals, als Gwyn ihnen gefolgt war, bis sie den Wagen aus den Augen verloren hatte. Vor einer Stadt. Mit Häusern… Panik überwallte Gwyn. Wenn der jemand, der sie hierher gebracht hatte, nun das Selbe mit ihr vorhatte? Wenn er sie töten wollte? In Gedanken beruhigte sie sich: Wer lebt in einer Stadt? Zwerge. Feen. Alle völlig ungefährlich. Wer sollte mir hier etwas antun wollen? Doch diese Vorstellung erfüllte ihren Zweck rein gar nicht. Erst jetzt wurde dem Pegasus bewusst, dass hinter jeder Wand jemand wohnte. Er war nicht alleine. Fast überall war jemand, und wenn man sie verfolgen würde, könnte man allerhöchstens nach oben ausweichen. Mit Glück. Plötzlich nahm Gwyn ein leises Geräusch war. So leise, dass es kaum zu hören war-ein Schwirren in der Luft, beinahe lautlos, aber in der Stille dennoch zu vernehmen. Sie wollte nicht wissen, was es war. Es kam ihr furchtbar vertraut vor, aber dennoch fremd. In panischer Angst begann sie, im Galopp durch die Gassen zu rasen. Ihre Befürchtungen hatten sich bewahrheitet-Hier war es zu eng, um abzuheben, um zu fliegen, fort von all dem. Das leise Schwirren war lauter geworden. Und zahlreicher. Es hallte in Gwyns Ohren wieder und spornte sie an, noch schneller zu laufen. Durch die unzähligen Straßen, die kein Ende zu nehmen schienen. Sie drehte sich nicht um-Sie wusste, sie würde es nur bereuen.
Fast alle Lichter waren erloschen. Nur in einem Haus brannten noch flackernde Kerzen, ihre züngelnden warfen Schatten an die Wände, die sich ständig bewegten. Im Halbdunkel konnte man zwei Personen erkennen-Eine Frau und einen Mann-, sowie glänzende Gläser, die mit etwas undefinierbarem gefüllt waren. Ein leises, kaum hörbares murmeln ertönte: „Wann kommen sie? Haben sie versagt?“ „Die Explos versagen nie!“, widersprach eine andere, tiefere Stimme. „Sie sind unser Meisterwerk, aber…“, meinte die junge Frau. Tiefer Zweifel legte sich unüberhörbar über ihre Worte. „Mein Meisterwerk!“, ertönte ein keifender Ausruf, „Und meine Meisterwerke versagen nie!“ „Auch die besten Werke können versagen. Und wenn die Explos versagen, haben wir keine Chance mehr“, entgegnete die Frau. Für einen kurzen Moment würden ihre grünen, gehetzten Augen vom Kerzenlicht erleuchtet und blitzen funkelnd ihr Gegenüber an. Es meinte nur: „Sie versagen nun mal nicht.“ Plötzlich sprang er auf und riss das Fenster auf. Dabei sprang es aus den Scharnieren. Das trübe Glas zerbrach auf dem Boden, aber er hatte keine Augen dafür. Stattdessen streckte er den Arm nach draußen. Darauf landete ein feines, durchscheinendes Wesen. Er musterte es ausgiebig. Im Gefieder, das eher Glas glich als Federn, wirbelten bunte Schatten hin und her. Wut verzerrte das Gesicht des Mannes. „Versagt…“, flüsterte er. „Versagt!“. Blitzschnell drehte er sich um. Er schleuderte das Wesen gegen etwas Großes-Ein mehrfaches Schnappen ertönte, und von ihm waren nur ein paar Splitter übrig, die bald nicht mehr zu sehen waren. Sowohl die Frau als auch der Mann schnappten sich ihre Mäntel und warfen sich die pechschwarzen, weiten Stoffe einfach über. Ohne sich die Mühe zu machen, sie zuzuknöpfen, riss einer von ihnen die Tür auf. Beide stürmten in die Dunkelheit der Nacht hinaus, und als sie klappernd ins Schloss fiel, waren beide schon verschwunden.
Gwyn sah nur undurchdringliche Finsternis, während sie mit geschlossenen Augen durch die Straßen raste. Sie beruhigte das gleichmäßige Klopfen, das ihre Hufe auf dem aufwirbelnden Sand der schnurgeraden Straße erzeugten. Es hatte etwas Vertrautes, Tröstendes. Das beängstigende Schwirren, das sie durch die Gassen trieb, ließ sich nicht ausblenden, aber es schien leiser geworden zu sein. Plötzlich ertönte ein Geräusch-Ein melodisches Klirren, das ebenso sanft wie gefährlich klang. Trotz aller Vorsätze drehte Gwyn sich um und schlug die Augen auf. Zuerst erblickte sie nur eine Wolke, die im matten Licht der Straßenlaternen funkelte. Geblendet wich Gwyn ein paar Schritte zurück. Langsam registrierte sie, dass jemand inmitten der Menge an Wesen stand-Wesen, die sich bei näherer Betrachtung als Vögel erwiesen, die aus Glas zu bestehen schienen. Ein Ast durchbrach die Menge. Ein Riss bildete sich, und für einen kurzen Moment erhaschte Gwyn einen Blick auf einen kleinen Mann, wahrscheinlich ein Zwerg. Sein Gesicht war unnatürlich hell, beinahe schneeweiß. Insgesamt war seine Haut ziemlich faltig. Ungewöhnlich lange, dunkelgraue zerzauste Haare wehten im Wind, als er sich bückte, um einen Stein aufzuheben. Der Kiesel traf mit voller Wucht einen Vogel und er zerfiel in tausende Scherben. Der Mann schien jetzt auch Gwyn zu sehen. Er wehrte mit seiner Faust ein paar der Wesen ab und rief: „Lauf! Lauf, soweit dich deine Hufe tragen!“. Dann verlor er sie wohl aus den Augen, denn sein Blick suchte Orientierungslos die Landschaft ab. Er schien es aufzugeben und nahm erneut etwas vom Boden, schleuderte es davon. Die Richtung schien ihm egal, er war eingehüllt von diesen Wesen. Ihr Schwiiren wurde inzwischen übertont von einem Hacken mit tödlichem Unterton. „Lauf!“. Sein Ruf durchrang das schreckliche Geräusch, leise und kaum hörbar. Und langsam schienen seine Bemühungen Wirkung zu zeigen. Immer kleiner wurde die Wolke, die den Mann einhüllte. Bald waren nur noch fünfzig Tiere übrig. Sie wendeten sich ab und drehten sich ein letztes Mal um. Ihre Schnäbel waren rot vor Blut. Einer schüttelte sein Gefieder aus und rote Tüpfel bedeckten den aufgewirbelten Sand am Boden. Einige Tropfen spritzten auf Gwyns Fell und hinterließen eine unausgesprochene Warnung. Wir kommen wieder. Der Mann sank in sich zusammen. Seine Lippen formten ein Wort. Kaum zu hören, denn seine Stimme versagte beim Sprechen. Und doch hallte sie in Gwyns Kopf wieder. Lauf. Und sie lief.
~Kapitel 2 [Unfertig]
langsam wich der schwarze Nachthimmel den Morgen. Ein roter Streifen erhellten den Horizont und erste Sonnenstrahlen verbrachten das Wunder, trübe Fensterscheiben zum glänzen zu bringen. Inmitten der morgendlichen Schönheit kam Gwyn keuchend zum stehen. Lauf. Noch immer hallte das Wort in ihrem Kopf wieder. Jedes kleinste Geräusch löste in ihr den Drang aus, genau das zu tun. Zu laufen. Die Vögel hatten diese Panik in ihr ausgelöst. Und noch immer wirbelten Fragen in ihrem Kopf, die nach einer Antwort suchten, die nicht kommen wurde. Wer war der Mann? Was waren das für Vögel? Warum haben sie den Mann getötet? Ihr schwirrte der Kopf. Auf einmal warf etwas dunkle, wabernde Schatten auf den Sandweg. Gwyn hob den Kopf. Woher kamen sie? Bevor sie etwas registrieren könnte durchriss ein Quietschen die Stille. Sie spürte, wie etwas ihre Mähne griff und sie in ein Haus zerrte. Die Tür war noch nicht geschlossen, als eine gewaltige Sandwolke aufwirbelte. Hitze schlug Gwyn ins Gesicht. Dann fiel die Tür krachend ins Schloss und es war dunkel. Panik überwallte Gwyn. Wir kommen wieder. Kamen sie jetzt wieder. Panisch blickte sie sich um, aber sie erkannte nichts. Sie wollte hinaus, wo sie laufen konnte wenn sie wollte. Wo sie davon konnte. Lauf. In ihrer Angst schlug sie aus und Holz splitterte. Ein Riss durchzog die Wand und Licht sickerte herein. Doch es war kaum hell genug, um etwas Genaues zu erkennen. Plötzlich flammte eine Kerze auf, ihr flackernder erhellte tanzend die Wände. Gwyn sah sich um. Das Haus war sehr eng, schien dafür aber sehr hoch zu sein. Einmal schien es eine Leiter gegeben zu haben, doch als Gwyn das morsche Holz mit dem Huf berührte, brach sie zusammen. Erschreckt sprang der Pegasus zur Seite. Etwa auf mittlerer Höhe ragten unregelmäßig Holzteile aus der Wand. Auch Reste alter Balken waren zu erkennen. Allem Anschein nach hatte es einmal ein zweites Stockwerk gegeben-Doch eines Tages war es einfach heruntergefallen. Das Dach hingegen war noch vollständig. Gwyn richtete ihren Blick auf den Boden. Ihn bedeckten Federn, die in einem mattem, dunklen grau glänzten wie schmutziges Glas. Sie zersprangen in tausende Stücke, als Gwyn einen Schritt vorwärts trat. Sie glitzerten kurz in der Luft, ehe sie sich mit dem Staub vermischten. Fasziniert sah Gwyn dem Schauspiel zu. „Toll, was?“. Sie drehte sich erschrocken um. Ein funkelndes, graues Augenpaar blitzte ihr entgegen. Langsam erkannte sie, dass auf dem Tisch hinter ihr ein Vogel saß. Sein Gefieder hatte dieselbe Farbe wie die Federn am Boden und lag glatt am Körper an. Insgesamt wirkte das ganze Tier ein wenig trostlos. Blitzschnell flatterte es mit ungewöhnlich langen Flügeln in die Höhe und verschwand. „Warte mal… Wer… Wer bist du?“, fragte Gwyn zögerlich in Richtung Dach. Langsam erschien der Vogel in der Dunkelheit wieder. Ihm folgten 4 weitere. Warum habe ich sie nicht bemerkt? „Gestatten-Cindro“, stellte er sich vor. Der Kleinste in der Gruppe flog ein wenig höher als die Anderen. Er krähte laut und fröhlich: „Ich bin Marvin!“ Ein besonders schlanker, groß gewachsener von ihnen zog Marvin zu sich heran. „Sie dürfen uns nicht entdecken“, hauchte sie. Aber Gwyn hörte sie trotzdem. Was haben sie denn getan? Auf sie wirkten diese Vögel vollkommen harmlos. „Warum“, fragte eine, die etwas größer war als Marvin und deutete mit dem Flügel auf den Pegasus am Boden, „Ist sie dann hier?“.